Dienstag, 12. Februar 2013
Berlinale-Special
Sogenannte Berlin-Filme wie „Oh Boy“ zeigen nicht die Stadt, sondern liefern eine Bebilderung dessen, wie sich der Nicht-Berliner die Stadt vorstellt: alles ist voller Graffiti, die Bedienungen sprechen Englisch und es werden allerorten Drogen konsumiert. Die Frauen sind hysterisch und komplexbeladen, die Männer wissen nicht wohin mit sich und arbeiten allesamt in Medienberufen, in Bars oder sind arbeitslos. Die Schnittbilder zwischen den Szenen ähneln sich: man sieht die Tram um die Ecke fahren, Hunde auf den Gehweg machen und Leute mit Bierflaschen über die Warschauer Brücke laufen. Die Kinobesucher in Bremen und Heilbronn denken „Verrückt diese Stadt, und die Leute erst!“.

Irgendeiner muss den Filmemachern mal sagen: Es gibt ganz, ganz viele normale Leute in Berlin, die morgens aufs Amt und abends in ihre Reihenhäuser fahren, nach Reinickendorf, Pankow und Spandau oder in die Platte nach Marzahn. Diese Leute haben vom White Trash, Media-Spree-Demos oder Kreuzkölln keine blasse Ahnung und wollen sie auch gar nicht haben.

Dennoch sind auch sie Berlin, die Busfahrer, Kassiererinnen, Sachbearbeiter und Einzelhandelskauffrauen - vielleicht viel mehr als alle Modedesigner, Schauspieler und Galeristen zusammen. Auch über sie lohnt es sich, Filme zu machen – wenn man genau hinschaut, hinter die Fassade des Alltäglichen, und das ist ja der Job des Filmemachers. Als Schnittbilder seien empfohlen: der morgendliche Stau auf der Stadtautobahn, die gelangweilten Blicke der Mütter auf den Spielplätzen oder das Auswickeln der Dönerspieße in den Imbissbuden.