It’s Glash!
Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird gern die Provinzialität, Brutalität und Ungastlichkeit Berlins in schillernden Farben beschrieben. Keifende Busfahrer, kackende Hunde und arrogante Bürgermeister spielen dabei eine wichtige Rolle. Gleichzeitig ist Berlin die Heimstätte internationaler Künstler, Filmstars und der besten Bars und Clubs der Welt - wie passt das zusammen?
Es gehört zusammen. Das Phänomen heißt: Glash - eine Mischung aus Glamour und Trash. Nichts in Berlin, was cool ist, ist einfach nur schön, angenehm und funktioniert einwandfrei. Während Juliette Binoche auf der Berlinale die Premiere ihres neuen Films feiert, stolpern irgendwelche 0815-Zuschauer in Outdoor-Klamotten vor ihr auf dem Roten Teppich herum. Angesagte Berliner Bars findet man nur, wenn man im 3. Hinterhof an der Tür eines einsturzgefährdeten Hauses die geheime Klingel drückt oder seinen Weg durch eine stinkende Thai-Küche findet. Prominente Berlinerinnen tragen zwar gerne Designerfummel, aber stets kombiniert mit einem Teil von H&M oder einem abgenagten Vintage-Täschchen von der Oma.
Glash erklärt auch, warum die Berliner das Chaos am neuen Flughafen nicht wirklich schlimm finden. Denn wenn Berlin erstmal einen gut laufenden Flughafen hat, die S-Bahn durchgängig und pünktlich fährt, auf dem Tempelhofer Feld Gartenanlagen und Bänke stehen, bleibt nur noch Glamour. Und wer kann das schon rund um die Uhr ertragen.
rikscha am 24. Mai 13
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Alte Liebe
Mit 16 war man üblicherweise nicht nur in den coolen Typen aus der 12. Klasse mit den langen Haaren, der Lederjacke und dem Ohrring verliebt, sondern auch in einen prominenten Schauspieler. In den 90er Jahren war der ultimative Posterboy für junge Indie-Mädchen Ethan Hawke. Lässiger und herzbrechender als er in „Reality bites“ war keiner.
20 Jahre später trifft man den coolen Typen aus der 12. Klasse wieder. Seine Haare sind kurz, der Ohrring ist verschwunden, und er arbeitet beim Landesamt in Stuttgart. Auch Ethan Hawke ist älter geworden - ein Mann Mitte vierzig mit vier Kindern, einer Scheidung, vielen schlechten Filmen, komischen Haaren und tausend Falten.
Als Frau hat man nun zwei Möglichkeiten, mit dieser romantischen Enttäuschung umzugehen. Man macht sich klar, dass erwachsene Liebe nichts mit dem teenagerhaften Verliebtsein zu tun hat, bei dem die Projektionen der eigenen Sehnsüchte im Mittelpunkt stehen, sondern mit Austausch und Auseinandersetzung auf Augenhöhe und reifen Gefühlen von Verbundenheit und gegenseitigem Respekt.
Oder man sucht sich einfach Ryan Gosling als neuen Posterboy.
rikscha am 09. April 13
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Mit Bands altern
Das Phänomen ist neu: war man früher als junger Mensch Fan eines Rockstars, so starb der Rockstar eines Tages an Drogen, Fettsucht oder zu schnellen Autos und mit der eigenen Jugend war‘s vorbei. Übrig blieben Erinnerungen, untrennbar und unverfälscht verwoben mit der Musik von Jimi Hendrix, Janis Joplin oder Elvis.
Heute aber altern die Fans mit ihren Stars und zwar immer länger: parallel mit dem eigenen Erwachsen-werden und Ideale-Loswerden muss man miterleben, wie die Toten Hosen ihre Texte vom Teleprompter ablesen, Metallica mit Symphonieorchestern musiziert und sich selbst die früheren „Untouchables“ ihren Wert in Werbegeldern ausbezahlen lassen: U2 wirbt für Apple, David Bowie für Mineralwasser und Depeche Mode für VW. Iggy Pop, Ozzy Osbourne und Alice Cooper, alle deutlich über 60, ernähren sich gesund, machen Sport oder Kunst und wiederholen auf der Bühne die gleiche Show, die sie vor 30 Jahren erfunden haben.
The Cure-Sänger Robert Smith tritt nicht mehr auf, weil er nach eigener Auskunft zu zufrieden mit seinem Leben sei, um noch gute Lieder zu schreiben. Das ist zwar ein Aufhören aus anderen Gründen, aber vielleicht sind ja Golf spielen, Tai-Chi und Malerei die neuen Drogen der Rockstars: sie beenden langsam, aber unerbittlich ihre große musikalische Zeit.
Tied to the 90ies
Wenn man früher im Plattenschrank des Onkels 20 Jahre alte Platten von Led Zeppelin oder den Doors entdeckte, erschienen die 70er als fernes Universum, als die Eltern jung waren, die Hosen Schlag hatten und man selbst nicht existent war. Ewig lange her! So geht es auch den Kindern von heute, die das erste Mal „Nevermind“ von Nirvana (1991) oder „Bullet in the Head“ von Rage against the Machine (1993) hören: das ist doch aus den 90ern, da gab es noch keine Handys und kein Internet. Ewig lange her.
Die 90er Jahre – ein fernes Universum, das derzeit von einer Retro-Welle erfasst wird: bei H&M gibt es für 6,99 Euro Karohemden und T-Shirts mit Joy Division-Aufdruck. Auf 90er-Jahre-Partys springen die über 30Jährigen ausgelassen und mit ironischer Distanz zu „Smells like teen spirit“ über die Tanzfläche - was waren wir früher wild!
Was bleibt ist dieses ungute Gefühl, denn ausgelassen und mit ironischer Distanz tanzen kann man zu dieser Musik nur, wenn Sätze wie „Fuck you, I won’t do what you tell me!“ oder „Wir hatten uns so fest geschworen, anders zu sein als die Leute in ihren Büros“ im Jetzt keinerlei Bedeutung mehr haben. Dann sind die 90er Jahre einfach nur Geschichte. Und man ist auf ungute Art erwachsen geworden.
rikscha am 27. Februar 13
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Berlinale-Special
Sogenannte Berlin-Filme wie „Oh Boy“ zeigen nicht die Stadt, sondern liefern eine Bebilderung dessen, wie sich der Nicht-Berliner die Stadt vorstellt: alles ist voller Graffiti, die Bedienungen sprechen Englisch und es werden allerorten Drogen konsumiert. Die Frauen sind hysterisch und komplexbeladen, die Männer wissen nicht wohin mit sich und arbeiten allesamt in Medienberufen, in Bars oder sind arbeitslos. Die Schnittbilder zwischen den Szenen ähneln sich: man sieht die Tram um die Ecke fahren, Hunde auf den Gehweg machen und Leute mit Bierflaschen über die Warschauer Brücke laufen. Die Kinobesucher in Bremen und Heilbronn denken „Verrückt diese Stadt, und die Leute erst!“.
Irgendeiner muss den Filmemachern mal sagen: Es gibt ganz, ganz viele normale Leute in Berlin, die morgens aufs Amt und abends in ihre Reihenhäuser fahren, nach Reinickendorf, Pankow und Spandau oder in die Platte nach Marzahn. Diese Leute haben vom White Trash, Media-Spree-Demos oder Kreuzkölln keine blasse Ahnung und wollen sie auch gar nicht haben.
Dennoch sind auch sie Berlin, die Busfahrer, Kassiererinnen, Sachbearbeiter und Einzelhandelskauffrauen - vielleicht viel mehr als alle Modedesigner, Schauspieler und Galeristen zusammen. Auch über sie lohnt es sich, Filme zu machen – wenn man genau hinschaut, hinter die Fassade des Alltäglichen, und das ist ja der Job des Filmemachers. Als Schnittbilder seien empfohlen: der morgendliche Stau auf der Stadtautobahn, die gelangweilten Blicke der Mütter auf den Spielplätzen oder das Auswickeln der Dönerspieße in den Imbissbuden.
rikscha am 12. Februar 13
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Was junge Männer älteren Männern voraus haben
Es ist nicht nur das volle Haar, das den jungen Mann im Vergleich mit dem älteren Mann attraktiv macht. Der junge Mann im Jahr 2013 ist Mitte der 80er geboren, hatte eine berufstätige Mutter und hält eine gleichberechtige Partnerschaft für selbstverständlich. Er ist sensibel und kann gut zuhören. Er sieht Frauen als Freunde, nicht als Beute. Er ist höflich und freundlich, ohne harte Kanten und tiefe Abgründe, abgesehen von kleinen depressiven Episoden, wenn er sich mal wieder in eine zu starke, wilde Frau verliebt hat. Der junge Mann steht erst seit wenigen Jahren im Berufsleben und steckt noch voller Tatendrang und Motivation.
Ältere Frauen können beim jungen Mann alles das finden, was auch ältere Männer an jungen Frauen so schätzen: Sie sind unverbraucht und optimistisch, das große Auf-die-Schnauze-fallen im Job und in der Liebe liegt noch vor ihnen. Sie strahlen eine große Leichtigkeit aus, weil sie noch keine Eigentumswohnung abbezahlen und zwei Kinder versorgen müssen. Sie lassen die Dinge auf sich zukommen und denken: „Meinen Job kann ich ja noch wechseln“ oder „Mal gucken, ob ich mit dieser Frau zusammen bleibe“. Die Zukunft ist ein offener Ozean voll vielversprechender Möglichkeiten. Burn-out, Desillusionierung und die Endlichkeit des Lebens liegen in weiter Ferne.
Es ist also eine große Freude, mit jungen Männern zusammen zu sein. Wenn sie die 35 überschritten haben, wird es anstrengend, aber dann können sich ältere Frauen einfach noch älteren Männern zuwenden. Die haben das Haus schon abbezahlt, die Scheidung seit Jahren hinter sich, die Kinder sind aus dem Haus und sie wissen, dass es Wichtigeres im Leben gibt als arbeiten. Zwar haben ältere Männer kein volles Haar mehr, dafür aber halten sie Frauen um die 40 für junge Hüpfer – es ist also eine Frage der Prioritäten.
rikscha am 04. Februar 13
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Aus der Rubrik „Attraktive Männer in Berlin“ Folge 88: Der Familienvater
Das Leben des hippen Berliner Mannes scheint auf den ersten Blick höchst individuell. Er arbeitet – ganz anders als sein Vater - vornehmlich im Medien-, Design- oder Kunstbereich, wohnt in einer spärlich aber geschmackvoll eingerichteten Altbauwohnung und kleidet sich in coolen bis sportlichen Designermarken – meilenweit entfernt von Bürojob, Reihenhaus und grauen Anzügen.
Mit Ende dreißig bekommt der Berliner Mann Kinder, deren Vornamen vom Großvater stammen oder auf A enden, kauft sich eine Eigentumswohnung und geht immer seltener aus. Man war ja schließlich so viele Jahre unterwegs in Bars und Clubs, das reicht jetzt aber, die Bands sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren, und nun, wo die Kinder da sind, kann man ja auch heiraten - die perfekte Beziehung gibt es halt nicht.
Einige zufriedene Jahre später, wenn die Kinder in der Schule sind und der Job gut läuft, spürt der Berliner Mann eine nervöse Unruhe. Plötzlich fallen ihm auf der Straße junge Frauen mit blonden Pferdeschwänzen und taufrischem Lächeln auf. Er fragt seine alten Freunde, ob sie nicht doch mal wieder einen draufmachen wollen, und wundert sich am nächsten Morgen, wenn er nach der Weihnachtsfeier mit der Auszubildenden im Büro gevögelt hat, denn daran ist so gar nichts individuell.
Dabei geht es ihm wie Johnny Depp und fast allen anderen Männern. Es ist es eine jahrhundertealte Geschichte, mit anderem Setdesign, anderen Klamotten und den immer gleichen Gefühlen. Wie auch der englische Dichter Steven Patrick Morrissey früh erkannte: „The story is old, I know, but it goes on“.
rikscha am 04. Januar 13
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Schlimme Bands und Musiker, die nur ein gutes Lied gemacht haben
Bon Jovi – Dead or alive
Sting – It’s probably me
Genesis – Follow you follow me
Dire Straits - Brothers in arms
Scorpions – Still loving you
rikscha am 03. Januar 13
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Barbour geht wieder
Zum derzeitigen Hipster-Outfit des Berliner Mannes gehört neben dem Bart, der Wollmütze, der skinny Jeans und der Kastenbrille neuerdings die Barbour-Jacke. In den 90ern noch verschmäht als Ummantelung schnöseliger Popper, deren weiterer Lebensweg als Jura- oder BWL-Student vorgezeichnet war, und die jegliche feministische, antifaschistische oder antikapitalistische Äußerung als Teufelszeug deklarierten, dient die Jacke nun auch Kreativen und Künstlern als Must-have der Saison. Passenderweise hat gerade ein Barbour-Flagshipstore in der Alten Schönhauser Straße eröffnet.
Als Begründung wird gern die hohe Qualität herangezogen, denn so eine Wachsjacke widerstehe ja jeglicher Feuchtigkeit und halte auch schön warm. Und heutzutage könne man doch über dem althergebrachten Image stehen, und das tragen, was praktisch ist und worauf man Lust hat. Total liberal und unabhängig.
Aber mal ehrlich, Jungs. Barbour-Jacken sind nun mal, was sie sind: schnöselig. Ebenso wie skinny Jeans, die bei Männern einfach Scheiße aussehen. Und die Bärte gehen den Frauen auf den Keks. Und Kastenbrillen tragen mittlerweile auch Generalsekretäre der CSU. Und Wollmützen sind in knackvollen Bars und brodelnd heißen Konzertsälen einfach überflüssig.
Barbour geht eben doch nicht.
rikscha am 30. November 12
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Promi-Spotting á la Berlin
In Berlin ist es relativ normal, auf der Straße Prominente zu treffen. Peter Fox sitzt beim Frühstücken im Edelweiß, Harald Glööckler kauft Törtchen im Lafayette Friedrichstraße, Ashton Kutcher rennt die Chausseestraße hinunter, der Sänger von Dinosaur jr., J Mascis, drängelt sich beim Bäcker in der Pflügerstraße vor, Hans Christian Schmid zieht Geld bei der Postbank am Marheinekeplatz, Tom Cruise feiert bis nachts um zwei beim Italiener in der Ackerstraße, Ronald Zehrfeld schleppt Einkaufstüten vorm Kaisers in der Prenzlauer Allee usw.
Unter Berlinern ist es jedoch völlig verpönt, in irgendeiner Weise diesem Prominenten zu zeigen, dass er prominent ist und man ihn erkennt. Will man aber seine Begleitung auf den Promi aufmerksam machen, geht das nur über komplexeste nonverbale Kommunikation, indem man still, aber völlig hysterisch im Rücken des Prominenten rumfuchtelt, seine Augen aufreißt und gleichzeitig verdreht oder mit Lautstärke-unterdrückter Stimme zwischen den Zähnen Uhrzeiten als Richtungsangabe flüstert: Wim Wenders auf drei Uhr, aber nicht gucken!
Die Promis freuen sich darüber, dass sie unauffällig einkaufen, frühstücken und Alltagskram erledigen können. Die Berliner freuen sich, dass sie ihren Freunden erzählen können, wen sie grad beim Bäcker getroffen haben. Es ist ein stilles Übereinkommen, dass nur hin und wieder durch Touristen gestört wird. Wenn Sie also Tourist sind und Promi-Spotting á la Berlin betreiben wollen, verhalten Sie sich wie eine Ente: Bleiben Sie völlig ruhig an der Oberfläche und paddeln sie wie wild darunter.
rikscha am 16. November 12
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