Warum tragen Senioren immer besch?
Wer in Berlin in den einschlägigen Locations für ältere Menschen unterwegs ist (Friedrichstadtpalast, Treptower Park, Karstadt am Herrmannplatz, Britzer Garten) fällt auf: es scheint einen Senioren-Mainstream-Stil zu geben, der insbesondere von einer Farbe absolutistisch beherrscht wird: besch. Besche Hosen, besche Jacken, besche Blusen, besche Pollunder. Und unglaublicherweise: besche Schuhe. Maximal kombiniert mit Hellblau, Flieder oder einem zart geblümten Tuch, bei dem die Verkäuferin garantiert versichert hat, es sähe "flott" aus.
Eine weitere Ausdrucksform des Senioren-Mainstream-Stils ist der lila-artige Haarton älterer Damen. Sieht man das einzeln, denkt man sich: hoppala, da ist wohl was daneben gegangen. Aber wer aufmerksam ist, merkt: es steckt Prinzip dahinter. Es gibt ganz viele ältere Damen mit diesem Lilaton. Es muss also doch in den einschlägigen Salons die Farbnuance „Soft Aubergine“ geben, die sich sonst nicht mal Friedrichshainer Punks zu tragen trauen.
Tatsache ist: das Stilempfinden der Seniorengeneration bleibt undurchsichtig. Der Teenie-Geschmack ist im Vergleich dazu glasklar: Es gibt Youtube, Justin Bieber und H&M. Ältere aber haben keine Stilvorbilder, obwohl sie immer mehr Geld in der Tasche haben, das ihnen für Modeschnickschnack aus der Tasche gezogen werden könnte. Aber die Werber und Marketingfachleute müssen sich sklavisch nach ihnen richten, denn sie machen was sie wollen. Und anscheinend wollen alle das Gleiche.
Wenn sich all die Hippies, die Halbstarken und die Existenzialisten von früher mit der Zeit in diesem Senioren-Mainstream-Stil homogenisiert haben – wird das auch mit den heutigen Hipstern passieren? Dann würden all die Berghain-Verstrahlten, Friedrichshainer Möchtegern-Anarchos und Medienpenner aus Prenzlauer Berg, die selbst ihr Altglas in designten Jutebeuteln zum Container tragen, in 30 Jahren in Besch und Aubergine rumlaufen. Aber lassen wir ihnen Zeit. Vielleicht wollen sie dann auch alle das Gleiche: ihre Ruhe haben.
Merke: wer beim Lesen des Textes denkt "schreibt man besch nicht beige?", der hat recht und kann mich mal.
rikscha am 09. November 11
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren